Südsternwarte
Die zweite Erde könnte ganz nah sein
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Lange haben 31 Wissenschaftler aus acht Ländern unter dem Dach der Europäischen Südsternwarte (ESO) beobachtet, gemessen und gerechnet, ehe sie sicher waren und am Mittwoch in Garching bei München die Sensation verkündeten: Ein erdähnlicher Planet wurde gefunden – und das sogar in allernächster Umgebung. Den Stern Proxima Centauri umkreist ein Planet in der sogenannten „habitablen Zone“", auf dem es Wasser und womöglich sogar Leben geben könnte.
Das ist noch ungewiss, aber so viel ist sicher: „Proxima Centauri b“ ist der nächste Planet außerhalb unseres Sonnensystems. Kein anderer Stern ist uns näher als Proxima Centauri, den der Planet in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern in 11,2 Tagen umrundet, wie der leitende Wissenschaftler des internationalen Astronomenteams Guillem Anglada-Escudé mitteilte.
In den kommenden zehn Jahren wollen die ESO-Wissenschaftler der möglichen „Earth 2“ mit allen verfügbaren Hightech-Instrumenten auf die Spur kommen und die Frage beantworten, ob es darauf wirklich eine Atmosphäre, flüssiges Wasser und sogar Leben gibt. Auch echte Bilder des Planeten, dessen Existenz zunächst nur „errechnet“ wurde, werden in den nächsten Jahren möglich sein, zeigte sich Ansgar Reiners (Göttingen) zuversichtlich.
Mit etwa 1,3 Erdmassen ist der Planet mit dem unseren vergleichbar, aber damit hören die Ähnlichkeiten auch schon auf. Mit einer Entfernung, die nur fünf Prozent der Distanz Erde-Sonne entspricht, ist er seinem Gestirn sehr nahe. Dennoch rechnen die Astronomen für den Fall des Vorhandenseins einer Atmosphäre mit durchaus erträglichen Durchschnittstemperaturen, weil Proxima Centauri eine rote Zwergsonne ist, die nur etwa zwölf Prozent der Sonnenmasse und 0,17 Prozent Leuchtkraft der unseren besitzt. So gilt eine wesentlich engere Zone um den Stern gleichwohl als „habitable Zone“, in der Leben möglich wäre.
Felsig, aber begehbar
Ein Problem für eventuelles Leben wäre es, wenn „Proxima Centauri b“ seinem Stern nur immer dieselbe Seite zuwendet wie dies bei Planeten mit engen Umlaufbahnen oft vorkommt. Dies sei durchaus „sehr wahrscheinlich“, sagte Reiners. Jüngere Modellrechnungen zeigen jedoch, dass dies die Entstehung von Leben nicht unbedingt ausschließen muss. Falls eine Atmosphäre vorhanden ist, könnten Winde zwischen der stets dem Stern zugewandten und der ewig abgewandten Planetenseite für Ausgleich sorgen. Relativ sicher sind sich die ESO-Astronomen, dass es sich bei dem entdeckten Planeten um einen felsigen Himmelskörper mit begehbarer Oberfläche handelt.
Das Sternensystem „Centauri“, dem Proxima Centauri angehört, ist sozusagen der „Nachbar“ des Sonnensystems. Allerdings in astronomischen Maßstäben: Proxima Centauri ist von der Erde 4,2 Lichtjahre entfernt, was der 3000-fachen Distanz Erde-Sonne entspricht. Selbst wenn es gelänge, ein Raumschiff auf das heute noch unvorstellbare Tempo von einem Fünftel der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, wäre es zur „Nachbarsonne“ mehr als 21 Jahre unterwegs.
Für Raumschiffe mit menschlicher Besatzung bleibt also der nächste extrasolare Planet unerreichbar, nicht aber für Sonden neuester Generation, meinte Pete Worden von der amerikanischen Wissenschafts- und Forschungsgründung „Breakthrough Starshot“. Für den früheren NASA-Direktor ist das Aussenden von winzigen Sonden in das Centauri-Sternensystem keine Science Fiction mehr.
„Breakthrough Starshot“ arbeitet an einem Konzept, wie „Nanosonden“ von der Erde aus mittels eines starken Laserstrahls auf ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und so das Centauri-Sternensystem erreichen könnten. Von dort aus könnten Sie alle möglichen Fotos und Daten mit Lichtgeschwindigkeit an die Erde senden. Das alles könnte „innerhalb einer Generation“ passieren, zeigte sich der Amerikaner optimistisch.